Kurzfassung

Untenstehend finden Sie die Kurzfassung der 50 Vorschläge der Initiative Bessere Verwaltung. Die vollständige Liste finden Sie im Gesamtdokument (PDF).

Einleitung

Wenn über Staat und Verwaltung gesprochen wird, richtet sich gegenwärtig die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit stark auf die politische Korruption. Es bestehen jedoch bereits seit längerer Zeit zunehmend auch andere Missstände in der Arbeitsweise der österreichischen Regierungen.

Einige zentrale Probleme sind: übergroße Ministerkabinette und ihre Arbeitsweise, Besetzung von Leitungsfunktionen nach parteipolitischem Kalkül, strategische Untersteuerung und operative Übersteuerung der Verwaltung, Qualitätsverlust im Service, Demotivation beim Personal.

Die Bundesverwaltung wird dadurch geschwächt, was sich an verschiedenen Indikatoren ablesen lässt:

  • In der laufenden Leistungserbringung werden im internationalen Vergleich mit hohen Kosten lediglich durchschnittliche Ergebnisse erzielt.
  • Krisenprävention und Krisenmanagement sind von Unzulänglichkeiten geprägt.
  • Die verschiedenen Politikfelder werden nicht nachhaltig und strategisch fundiert entwickelt und vernetzt gedacht, sondern unterliegen vorwiegend tagespolitischen Kalkülen.
  • Österreichs Ergebnisse in der Evaluierung durch internationale Einrichtungen verschlechtern sich (vgl. zuletzt die Staatengruppe gegen Korruption – Greco).
  • Das Vertrauen der Menschen in den Staat sinkt dramatisch.

Das führt dazu, dass die Ressourcen und Potenziale, über die Österreich in reichem Ausmaß verfügt, nur unzulänglich genutzt werden. Als Gruppe ausgewiesener Expertinnen und Experten der Verwaltung, zum Großteil selbst Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, erfüllt uns das mit tiefer Besorgnis. Die neu gegründete Expert:innengruppe unterbreitet die folgenden konkreten Vorschläge, um das Verhältnis zwischen Politik und Bundesverwaltung neu zu ordnen und Österreich besser auf die Zukunft vorzubereiten.

Autor:innen (alphabetisch): Peter Biegelbauer, Elisabeth Dearing, Michael Fälbl, Nikolaus Forgó, Wolfgang Gratz, Irmgard Griss, Shoura Hashemi-Zehetner, Clemens Jabloner, Judith Kohlenberger, Christoph Konrath, Martin Kreutner, Manfred Matzka, Heinz Mayer, Oliver Scheiber, Helgar Thomic-Sutterlüti, Thomas Wieser

Ansprechpersonen für allgemeine Fragen:

Kapitel 1: Neuorganisation der Bundesministerien

In den Bundesministerien ist über die letzten zwei Jahrzehnte eine Art Parallelverwaltung entstanden. Diese besteht aus immer größer gewordenen Minister:innenkabinetten (derzeit insgesamt 250 Personen!) und aus Personen, die aus politischen Parteien in Minister:innenkabinette und weiter in Spitzenpositionen des öffentlichen Dienstes wechseln.

So wurde eine Verwaltungskultur etabliert, die nicht dem Geist der Verfassung und dem Wohl der Republik verpflichtet ist, sondern Interessen politischer Parteien bedient.

Ziel muss eine qualifizierte, selbstbewusste und dem Staat gegenüber loyale Beamt:innenschaft sowie eine Stärkung der strategischen Kompetenz der Verwaltung nach besten internationalen Beispielen sein.

Wir fordern unter anderem die Umsetzung folgender Maßnahmen:

  • Begrenzung der Zahl der Mitarbeiter:innen in Minister:innenkabinetten auf sechs Personen – die Hälfte davon muss zuvor im jeweiligen Ressort gearbeitet haben (Vorbild EU). Doppelverwendungen sind verboten.
  • Definition von Qualifikationskriterien für Kabinettsfunktionen und (insbesondere hohe) Verwaltungspositionen, gesetzliche Regelung der Kabinettsarbeit inkl. Code of Conduct.
  • Abschaffung der weisungsberechtigten, politisch besetzen Generalsekretäre
  • Gesetzliche Regelung der Reorganisation von Ministerien mit zwingender Einbindung von Rechnungshof und Interner Revision als Maßnahme gegen bloßes parteipolitisches Umfärben von Ministerien.
  • Schaffung einer zentralen, unabhängigen Aus- und Fortbildungsakademie des Bundes.
  • Transparenz bei allen Auswahl-, Bewerbungs- und Besetzungsverfahren.
  • Zentrale Whistleblowerstelle für die Bundesverwaltung, an die Bundesbedienstete und Bürger:innen Missstände melden können.

Ansprechpersonen:

Kapitel 2: Strategische Ausrichtung der Bundesverwaltung und Steuerung

Die Bundesverwaltung ist gekennzeichnet durch strategische Untersteuerung bei gleichzeitiger operativer Übersteuerung. In weiten Bereichen fehlen der Bundesverwaltung längerfristige Strategien.

Angesichts komplexer Problemfelder greifen bloß ressortspezifische Wirkungsziele zu kurz. Vielmehr ist ein Zusammenwirken der Ressorts notwendig.

Auch zeigt sich, dass die Schnittstelle zwischen Bundesministerien und Ländern Aufgaben erhebliche Steuerungsdefizite aufweist.

Wir fordern unter anderem die Umsetzung folgender Maßnahmen:

  • Aufbau einer strategischen Koordinationsstelle im Bundeskanzleramt (BKA): Sie unterstützt die Regierung mit Lage- und Umfeldanalysen, Vorschlägen für politische Ziele und Schwerpunktprogramme und Indikatoren zur Messung des Erfolgs.
  • Weiterentwicklung des Grundsatzes der Wirkungsorientierung in Richtung Öffnung für ressortübergreifende Wirkungsziele.
  • Definition von konkreten ressortübergreifenden Vorhaben mit Synergiepotenzial.
  • Auftrag an Fachleute in den Ministerien, Zukunftsszenarien und langfristigen Strategien in regem Austausch mit anderen Institutionen und Organisationen zu entwickeln.
  • Verhandlungen zwischen Bundesministerien und Ländern werden neu gestaltet:
    • Einbindung von Städten und Gemeinden als gleichberechtigte Partner in die Verhandlungen
    • Entwicklung gemeinsamer Ziele, Aufbau von Vertrauen durch eine neue Gesprächskultur
    • Einbeziehung von Aufgabenverantwortlichen in die Verhandlungen: In einem ersten Schritt werden gemeinsame Wirkungsziele und Indikatoren definiert und die Aufgaben und Verantwortungen verteilt. Erst danach wird die Ressourcenzuteilung vereinbart.
    • Regelmäßige Evaluierungen zur besseren Steuerung des Umsetzungsprozesses.

Ansprechperson:

Kapitel 3: Krisenmanagement und Krisenprävention

Das Krisenmanagement der Bundesregierung wies sowohl bei den Fluchtbewegungen 2015/16 als auch im Rahmen der Covid-19-Pandemie grobe Mängel auf. Es gab keine konsistenten strategischen Ziele, wohl aber Eingriffe und Interventionen in das operative Krisenmanagement.

Zudem war Österreich auf beide Krisen schlecht vorbereitet, obwohl es im Vorfeld jeweils Hinweise auf die späteren Ereignisse gab.

Deshalb sind unter anderem folgende Maßnahmen erforderlich:

  • Systematische Auswertung aller vorhandenen Informationsquellen, um Krisen früher zu erkennen.
  • Einbeziehung von Wissenschaft, Wirtschaft sowie Einsatzorganisationen, NGOs, NPOs und Zivilgesellschaft in Früherkennungssysteme für Krisen und in die Bewältigung von Krisen.
  • Konsistente, klare Kommunikation der politischen Strategien in Krisen. Abschirmung des Krisenmanagements von politischen Interventionen.
  • Bestellung eines Regierungskoordinators zur Umsetzung der von der Politik definierten strategischen Ziele und Prioritäten in einer Krise. Der Regierungskoordinator bestimmt auch die Krisenkommunikation.
  • Aufbau von Krisenexpertise (etwa in Form einer flexiblen Gruppe von Spitzenbeamt:innen, die Krisenmanagement beobachtet, begleitet und analysiert, weiterentwickelt).
  • Systematische Evaluierung des Krisenmanagements (etwa Auswertung der Lessons Learned im Zusammenhang mit Covid-19 durch multidisziplinär organisierte, längerfristig etablierte wissenschaftliche Forschung und Ausarbeitung von Schlussfolgerungen für die Zukunft).

Ansprechperson:

Kapitel 4: Transparenz und Antikorruption

Jüngste internationale Evaluierungen (Staatengruppe gegen Korruption, Greco) stellen Österreich bei der Bekämpfung von Korruption ein schlechtes Zeugnis aus. Bisherige Bemühungen in der Korruptionsbekämpfung reichen bei weitem nicht aus.

Transparenz ist ein anerkanntes Präventionstool gegen Korruption – gerade hier liegt Österreich international weit hinten. Trotz jahrelanger Reformforderungen besteht noch immer das Amtsgeheimnis als Grundsatzbestimmung, das angekündigte Informationsfreiheitsgesetz ist nach wie vor nicht beschlossen.

Wichtige Aufgaben der Verwaltung werden unzureichend veraktet, auf informellen Kanälen entschieden und unter Beiziehung externer Berater:innen intransparent abgewickelt.

Reformvorschläge liegen seit Jahren auf dem Tisch: zuletzt wurden sie im Forderungskatalog des Antikorruptions-Volksbegehrens und im Evaluierungsbericht der Staatengruppe gegen Korruption (Greco) formuliert.

Folgende Maßnahmen sind vordringlich:

  • Beschluss eines umfassenden und wirksamen Informationsfreiheitsgesetzes
  • Lückenlose Dokumentation der Entscheidungsprozesse der Verwaltung
  • Veröffentlichung von Studien und Gutachten, die von der Verwaltung in Auftrag gegeben wurden
  • Verschärfung der gesetzlichen Lobbyingbestimmungen
  • Ausweitung der Whistleblower-Bestimmungen auch auf Verletzungen von Compliance Regeln
  • Verschärfung des Korruptionsstrafrechts unter anderem durch ein Verbot der Einschaltung von externen Berater:innen im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe

Ansprechperson:

Kapitel 5: Informationstechnologien

Die Digitalisierung erfordert neue Strukturen, Prozesse und Regeln, auch in der Verwaltung. Österreich sollte sich dabei nicht mit dem Vollzug eben entstehender europäischer Rechtsnormen begnügen, sondern einen Diskussionsprozess zwischen Politik, Verwaltung und Gesellschaft zum Thema Digitalisierung einleiten, um die neuen Regeln zu begleiten und nationalstaatlich zu ergänzen.

Digitale Technologien sind keine Naturgewalten und können in gesellschaftlichen Prozessen gestaltet werden.

Folgende Maßnahmen sind unter anderem erforderlich:

  • Nutzung der Digitalisierung, um Reformen in Richtung Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Verwaltungshandeln und Koordination unterschiedlicher Verwaltungsstellen voranzutreiben.
  • Bewusstseinsbildung im Hinblick auf ethische Grundsätze der Digitalisierung (z.B. Verhinderung von Bias und Diskriminierung, Schutz von Persönlichkeits- und Grundrechten, Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Schaffung diesbezüglicher Fortbildungsangebote an der zentralen Bildungseinrichtung (Austrian School of Governance).
  • Wahrung des Vertrauens der Bevölkerung in die staatliche Verwaltung durch begleitenden Diskussionsprozess zwischen Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.
  • Wahrung der digitalen Souveränität Österreichs (Vermeidung der einseitigen Abhängigkeit von Politik, Verwaltung und Wirtschaftsstandort von Konzernen)
  • Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch deutliche Ausweitung der im internationalen Vergleich unterdurchschnittlichen Investitionen in Ausbildung, Forschung, Wissenstransfer und Innovationsförderung in allen Bereichen der Digitalisierung und einer zentralen Steuerung der Digitalisierung auf Bundesebene.

Ansprechspersonen:

Kapitel 6: Kooperation und Partizipation

Verwaltung in Österreich ist durch eine Vielzahl von Organisationseinheiten und -ebenen geprägt, die in vielen Fällen nur mangelhaft oder gar nicht miteinander, mit politischen Entscheidungsträger:innen und der Gesellschaft interagieren (können). Das ist auch Ergebnis politischer Entscheidungen, die teilweise Jahrzehnte zurückliegen.

Jede Reform kann nur gelingen, wenn politische Leitungsorgane bereit sind, Kooperationen und Zusammenarbeit in der Verwaltung zuzulassen und zu fördern und professionelle, verlässliche und verbindliche Partizipationsmöglichkeiten der Bevölkerung und Kooperation insbesondere zwischen Verwaltung und Wissenschaft zu ermöglichen.

Darum sind unter anderem folgende Maßnahmen erforderlich:

  • Neue Systeme der Kooperation und des Informationsaustausches innerhalb der Bundesverwaltung und zwischen dieser und externen Partnern
  • Überlegung einer Geschäftsordnung der Bundesregierung (wie in Deutschland) und eine koordinierte Vorbereitung von Rechtsakten innerhalb der Bundesverwaltung
  • Offenheit und Partizipationsbereitschaft als Leitbild der Verwaltung und Schaffung der Voraussetzungen für partizipatives Handeln
  • Einrichtung von Partizipationsexpert:innen in jedem Ministerium als Schnittstelle zwischen Politik, Gesellschaft und Verwaltung
  • Ausbau der Fortbildungsangebote zu Partizipation einer Austrian School of Governance
  • Stärkere und transparente Einbeziehung der Wissenschaft in Entscheidungsprozesse der Verwaltung
  • Wissenschaftler:innen sollten möglichst transparent beauftragt, Studienergebnisse der Öffentlichkeit in aller Regel zur Verfügung stehen.

Ansprechsperson:

Kapitel 7: Europäisierung und Internationalisierung

Österreich ist seit über 25 Jahren Mitglied der Europäischen Union. Schon viel länger ist es Sitz internationaler Organisationen und betont seine Rolle als internationaler Brückenbauer.

Wie die österreichische Verwaltung und Politik in EU-Fragen zusammenarbeiten, und wer welche Rolle dabei einnimmt, wird jedoch weder in der Praxis noch in der Wissenschaft näher diskutiert. Auffällig ist, dass Österreich in der EU und in internationalen Organisationen oft unkoordiniert auftritt und Gestaltungsmöglichkeiten ungenutzt lässt. Vieles, was passiert, wird der Eigeninitiative engagierter Beamt:innen überlassen.

Folgende Maßnahmen werden in diesem Bereich unter anderem vorgeschlagen:

  • Die Einbettung in europäische und internationale Netzwerke ist ein zentraler Teil des Reformprozesses der österreichischen Verwaltung. Dies betrifft die inhaltliche Ebene sowie die damit auch eng verknüpfte personelle Ebene. Es erfolgt eine gezielte Förderung der temporären Entsendung von Beamt:innen in europäische und internationale Institutionen.
  • Europäische und außenpolitische Themen prägen innenpolitische Entscheidungen und das Handeln der Verwaltung in immer größerem Ausmaß. Die Möglichkeit, die jeweiligen Themen aktiv mitzugestalten, setzt Fachwissen und Vertrauen voraus – Vertrauen innerhalb der Verwaltung gegenüber jenen, die über Wissen und Erfahrungen verfügen, und Vertrauen zwischen Politik und Verwaltung, das Handlungsspielräume eröffnet. Dafür braucht es auch eine gezielte Förderung von Wissenschaft und unabhängigen und transparenten Einrichtungen, die sich in Österreich mit europäischer und internationaler Politik und Wirtschaft befassen. Sie bieten Räume und Möglichkeiten der Weiterentwicklung einer europäisch und international ausgerichteten Verwaltung und Politik.
  • Schaffung einer Verwaltungskultur, die sich als europäisch und international versteht.

Ansprechspersonen: